„Es wäre verhängnisvoll, sich in der Dualität von Print und Digital zurückzulehnen – wir müssen ganze Ökosysteme rund um unsere Medienmarken erschaffen“, so Pirker. Moderiert wurde die Veranstaltung von „Horizont“-Chefredakteurin Marlene Auer.
„Inhalte nur noch gegen Bezahlung“
Mit seiner Keynote „Der Weg vorwärts – Wie Medienmarken im digitalen Zeitalter erfolgreich sein können“ eröffnete Juan Señor (Innovation – Media Consulting Group) den Vortragsteil des Zeitschriftentages 2017 und plädierte dafür, digitale Inhalte nur noch gegen Bezahlung anzubieten: „Mit digitalen Werbeerlösen allein kann man seine Rechnungen einfach nicht begleichen.“
Leser müssten entweder mit ihren Daten oder ihrem Geld für wertvollen Journalismus bezahlen. Für stabile Geschäftsmodelle müssten laut Señor zumindest 40 Prozent der digitalen Erlöse auf dem Lesermarkt erzielt werden. Die Werbewirtschaft setze auch online zunehmend auf Qualität statt Quantität: „Die Nutzungszeit ist wichtiger als der bloße Traffic.“ Tablets, Smartwatches oder Virtual Reality – die Medienbranche müsste sich von dem Wunschgedanken verabschieden, dass ein „Next Big Thing“ die sofortige digitale Erlösung bringe. Die gedruckten Ausgaben seien für Verleger noch immer „Brücken in die Zukunft, die tunlichst nicht zerbröseln dürfen, solange sie gebraucht werden.“
Postmediale Zukunft
Bernd Flessner (Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sprach über „Künstliche Intelligenz in den Medien“ und skizzierte unterschiedliche Zukunftsszenarien. Sollte die KI-Revolution tatsächlich stattfinden, würden die heutigen Redaktions-, Produktions-, Diffusions- und Distributionsstrukturen verschwinden. „Das Stadium der Postmedialität wäre damit erreicht – Medien ließen sich in diesem Zukunftsmodell nicht mehr von der übrigen, längst intelligenten Technosphäre unterscheiden“, so Flessner. Die „Prosumenten“ dieser Zukunft würden ihre personalisierten Produkte stets selbst mitgestalten: „Wem Harry Potter in Game of Thrones bis dato gefehlt hat, bekäme die Tools in die Hand, um sich dieses spezifische Medienprodukt selbst zusammenzubauen.“
„Zeitschriftenwerbung wirkt – und zwar nachweisbar“
Tobias Raschka (Media Impact) erklärte unter dem Titel „Das unterschätzte Medium“, warum Zeitschriften für Leser und Werbetreibende so wertvoll sind. Mit 95,4 Prozent monatlicher Gesamtreichweite seien Zeitschriften in Deutschland noch immer „größer als das Internet“ (Quelle: b4p 2016). „Leser lieben Zeitschriften, weil sie damit entspannen und entschleunigen können. Das Medium wird als anregend und inspirierend empfunden“, so Raschka. „Wer eine Zeitschrift liest, vergisst alles um sich herum.“ Papier sei vor allem bei längeren Texten beliebter als Bildschirmmedien.
Auch im Hinblick auf den Werbemarkt zeigte sich Raschka von den Qualitäten des Mediums überzeugt. Immerhin ebbe die Digital-Euphorie ab: Umstrittene Werbewirkung, zweifelhafte Viewability und unerwünschte Umfelder – Online-Werbung werde zunehmend differenzierter betrachtet. „Mit Zeitschriften erreicht man attraktive Zielgruppen punktgenau und ohne Streuverluste. Zeitschriftenwerbung wirkt – und zwar nachweisbar.“ Print-Werbung werde vom Publikum überaus positiv beurteilt und sei noch immer alternativlos.
Die Strategie der „Engagement-Königin“
Monika Affenzeller und Jochen Hahn von missMEDIA, demonstrierten wie „miss“ zu einer „360 Grad Medienmarke“ wurde. Mit einer „Social-Media-First-Strategie“ fokussiert sich „miss“ auf „Digital Natives“, die ab 2020 die größte Konsumentengruppe in Europa sein werden. Mit maßgeschneidertem Content und einer Startup-Kultur habe man es etwa auf Facebook geschafft, „miss“ unter den zehn größten Frauenmedien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zur „Engagement-Königin“ zu machen.
Sinus-Milieus greif- und erlebbar machen
Christina D’Ilio (netzstragen) stellte die Frage „Kennen Sie Ihre Zielgruppe“ an den Beginn ihres Vortrags. Nur wer die Lebenswelten, Interessen und medialen Bedürfnisse seiner potenziellen Kunden versteht, könne entsprechende Produktstrategien entwickeln. Mit sogenannten „Medienpersonas“ machen die netzstrategen daher Sinus-Milieus greif- und erlebbar.